
Das tragische Unglück der Christel Martin aus Beilstein
Auch nach Kriegsende 1945 forderte die amerikanische Besatzung noch ihre Opfer.
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Ein Drama in unserem kleinen Dorf, recherchiert und aufgearbeitet von Brigitte und Helmut Funk
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Sie saßen mal wieder ängstlich und zusammengekauert mit den anderen Dorfbewohner im Luftschutzbunker gegenüber dem Amtshaus des Schlossgeländes in Beilstein..
Hier hatten sie bei jedem Luftalarm der letzten 24 Monate des 2. Weltkrieges unzählige Male Unterschlupf gefunden:
Die 9-jährige Christel mit ihren Eltern Toni und Otto und ihren Geschwistern
Elisabeth und Marianne.
Am Dienstag vor Ostern, am 10. März 1945, endete auch für die Westerwaldgemeinde Beilstein der Krieg und die Hitler-Diktatur hatte endlich ein Ende.
Angekündigt waren für diesen Tag die Amerikaner, die ohne Widerstand Dorf für Dorf einnahmen.
Doch wie würde sich die neue Besatzungsmacht gegenüber den Hiesigen verhalten? Das beschäftigte auch die Familie Martin im Luftschutzbunker. Doch langsam sickerte durch, dass sich die ausländischen Soldaten recht freundlich gegenüber den Dorfbewohnern geben würden. Daraufhin wagten sie sich, wenn auch zögerlich, den Bunker zu verlassen.
Die Amerikaner waren mit ihren Panzern und Militärfahrzeugen von Rodenberg und Odersberg kommend nach Beilstein vorgerückt. Zur allgemeinen Überraschung entpuppten sich die Soldaten als recht zugänglich und kooperativ, vorausgesetzt man hatte bei ihren Recherchen im Ort hinsichtlich einer Parteimitgliedschaft nichts zu befürchten.
Nachdem sich Christel und auch ihre Geschwister an die meist dunkelhäutigen Amis gewöhnt hatten, verschwand nach einigen Wochen und Monaten immer mehr ihre Angst, sich ihnen zu nähern. Die Soldaten verteilten Süßigkeiten und Coca-Cola und steigerten auf diese Weise ihren Beliebtheitsgrad bei den meisten Dorfbewohnern – vor allem den Kindern.
Christel und ihre Eltern waren glücklich. Sie hatten den schrecklichen Krieg und die ersten Monate danach heil überstanden.
Nun konnte es nur noch aufwärts gehen!
Aber: Am Sonntag, den 15.Juli 1945, geschah dann für die Familie ein tragisches Unglück.
An jenem Sonntagnachmittag traf sich Christel mit ihren gleichaltrigen Freundinnen Hilde Henrich und Gretel Stahl.
Zunächst spielten sie im Schlossgarten, fassten dann aber den Entschluss, zu den Amerikaner ins Beamtenhaus in der Schlosstrasse zu gehen. Dies war ihnen allerdings von ihren Eltern streng verboten worden. Doch die Sehnsucht nach möglichen Süßigkeiten von den Soldaten war einfach stärker.
Man stattete aber zunächst der Familie Philipps in Haiern einen Besuch ab.
Christel wollte unbedingt noch ihre neuen schwarzen Lackschuhe, auf die sie mächtig stolz war, ihren Verwandten zeigen.
Dann ging es aber im Eiltempo in Richtung Beamtenhaus. Dieses 6 -Familienhaus beherbergte von jeher Beamtenfamilien. Doch jetzt waren nach dem Krieg auch hier Besatzungssoldaten im 1.Obergeschoss untergebracht.
Die 3 Mädchen spielten zunächst mit anderen Kindern im Garten des Hauses.
Zur gleichen Zeit besuchte ein 12- jähriger Junge aus dem Haus einen amerikanischen Soldat in der oberen Wohnung, da dieser ihm versprochen hatte, ihm sein Gewehr zu zeigen.
Eine Unaufmerksamkeit dieses Mannes (er war gerade am Rasieren) nutze
der Junge aus und hielt das Gewehr aus dem Fenster und drückte ab.
Aus der ungesicherten Waffe löste sich ein Schuss und traf die im Garten spielende Christel.
Die Zeitzeugin Gretel Stahl (jetzige Zimmermann) hat als Freundin von Christel die Tragödie miterlebt und kann sich auch heute noch gut an den Ablauf erinnern.
Sie weiß zu berichten, dass Christel nach dem Schuss sofort zu Boden sank und in ein blühendes Rosenbeet fiel. Dabei hat sie noch zweimal nach ihrer Mutter gerufen. Ein großer Amerikaner war nach dem Schuss auf sie zugekommen, doch Hilde und sie waren schreiend nach Hause gelaufen. Christels Eltern und ihre Schwester eilten dann sofort zu dem Unglücksort, der unweit ihres Anwesens lag.
Kurze Zeit später wurde Christel zusammen mit Ihrer Mutter und ihrem Vater sowie ihrer Schwester Elisabeth in einem amerikanischen Jeep ins Krankenhaus nach Herborn gefahren. Doch bereits auf dem Weg dorthin in Merkenbach ist Christel verstorben.
Überliefert ist auch, dass die zwei Freundinnen in Hildes Elternhaus von zwei Polizisten verhört wurden. Diese wollten hauptsächlich wissen, woher der Schuss kam.
Genau geklärt wurde dieses schreckliche Unglück allerdings nie.
Aus diesem Grund wurde auch vermutlich die Todesursache von Christel Martin auf ihrer Sterbeurkunde nicht erwähnt.
Das tote Mädchen wurde in der Schreinerei ihrer Familie aufgebahrt (ihr Großvater war Schreinermeister) und am 18.07.1945 in einem weißen Kinder-
sarg auf dem Beilsteiner Friedhof beerdigt.
Die Amerikanische Truppe bedauerte den Unglücksfall aufs Tiefste und nahm mit einer geschlossenen Formation von etwa 100 Mann an der Beerdigung teil, Sie legten auch einen prächtigen Kranz nieder.
Auch die zwei Freundinnen Hilde und Gretel sowie ihre gesamte Schulklasse waren bei der Trauerfeier für Christel dabei.
Die Trauerrede hielt Pfarrer Karl Rübsamen, der als Vertreter in den Jahren 1944/45 in der Ev. Kirchengemeinde in Beilstein seelsorgerisch tätig war.
Der Trauertext Johannes 20 Vers 19 lautete:
Am Abend aber desselben ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu ihnen:
Friede sei mit euch!
Toni Martin ist über den tragischen Tod ihrer Tochter nie hinweggekommen.
Sie war sehr traumatisiert! Sie konnte am Leben in der Dorfgemeinschaft nicht mehr teilnehmen.
Ihre Trauerkleidung hat sie bis zu ihrem eigenen Tod getragen und zusammen mit ihrer Trauer ins eigene Grab mitgenommen.
Was kann einer Mutter Schlimmeres passiere, wie das geliebte Kind zu verlieren? Die heile Welt wird es für die Familie nie wieder geben.
Es tritt eine Hoffnungslosigkeit ein. Die Verzweiflung ist groß, denn mit dem Tod des Kindes geht der Lebenssinn verloren.
Hinzu kommen noch die eigenen Schuldgefühle.
Beilstein im April 2022
Archiv HGV-Beilstein
Von Brigitte und Helmut Funk aus Beilstein



Christel Martin im Alter von neun Jahren.
Pfarrer Karl Ruebsamen während der Trauerfeier.
Rechts die Schulkameraden
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